Warum stottert Bill nicht?
Wer die Geschichte kennt dürfte bemerkt haben, dass Bill Denbrough (gespielt von Jaeden Lieberher) in den bisher gezeigten Trailern zur Neuverfilmung nicht stottert. Regisseur Andrés Muschietti hat aber bereits bestätigt, dass Bill im fertigen Film stottern wird und nur in den Trailern nicht stottert, da dies neue Zuschauer, die den Stoff noch nicht kennen, irritieren könnte.
Was hat es mit der legendären Sex-Szene auf sich?
Spoiler-Warnung: Dieser Abschnitt enthält Spoiler für alle, die das Buch noch lesen möchten. Wenn ihr das Buch nicht lesen wollt und nur den alten und/oder den neuen Film schaut, könnt ihr diesen Abschnitt spoilerfrei lesen, da diese Szene in den Filmen nicht vorkommt.
Im Roman gibt es eine Szene, die selbst hartgesottene King-Fans verwunderte und kontroverser diskutiert wurde als jede andere. Nachdem die sieben Kinder glauben, Es besiegt zu haben, verirren sie sich in der Kanalisation. Daraufhin vollziehen sie ein magisches Ritual, bei dem Beverly nacheinander mit jedem der Jungen Sex hat, wodurch sie schließlich den Ausweg aus der Kanalisation finden. Zwar gab es bereits im Vorfeld Anspielungen auf Gefühle zwischen den Kindern (Ben ist in Beverly verliebt, Beverly in Bill, Richie findet Beverly attraktiv usw.), jedoch auf eine unschuldige und kindliche Art und Weise, die in starkem Kontrast zur Sexszene steht.
Stephen King erklärt die Szene als symbolischen Akt, in dem es weniger um die Sexualität an sich, sondern eher um den Übergang zwischen Kindheit und Erwachsenwerden geht. Allgemein werden Kinder und Erwachsene im Roman als völlig unterschiedliche Spezies dargestellt, die scheinbar nichts gemeinsam haben und einander kaum verstehen. Der sexuelle Akt ist die einzige Verbindung zwischen den beiden Lebensabschnitten. In dem Moment, als sie ihre Unschuld verlieren, ist die Kindheit der sieben Freunde endgültig beendet. Hinzu kommt, dass Beverly sich am meisten davor fürchtet, dass ihr Vater sie sexuell missbrauchen könnte. Sie stellt sich Sexualität als etwas Grauenhaftes und Furchterregendes vor. Durch den Verkehr mit ihren Freunden, denen sie vertraut, erlebt Beverly Sex schließlich als etwas Wunderbares und Befreiendes, vor dem man keine Angst haben muss. Zusätzlich zeigt die Erfahrung, Sexualität als etwas Schönes zu erleben, eine der wenigen positiven Seiten des Erwachsenseins und steht damit im Kontrast zu dem Horror, den die Kinder während ihrer Adoleszenz überstehen müssen (siehe „Worum geht es wirklich in Es?“)
Kontrovers bleibt die Szene natürlich trotzdem, weshalb sie sowohl im 1990er-Film als auch in der Neuverfilmung von 2017 nicht auftaucht.
Warum haben wir Angst vor Clowns?
Sie hat sogar eine eigene Bezeichnung: „Coulrophobie“ – die krankhafte Angst vor Clowns. Doch warum schrecken uns die aus dem Zirkus bekannten Spaßmacher, die eigentlich Freude bereiten sollen, so sehr ab?
Wir sind darauf geprägt, ein unbekanntes Gegenüber zunächst anhand dessen Mimik und Gestik einzuschätzen. Durch das stark geschminkte Gesicht ist das bei Clowns nur bedingt möglich. Fratzenhaft verzerrte Gesichtszüge stufen wir evolutionsbedingt als bedrohlich ein. Hinzu kommen überzeichnete Merkmale wie ein falsches Lachen, ein weißes Gesicht (erinnert an den Tod) und die ungewöhnliche Gangart (erinnert an jemanden, der betrunken ist) – alles Dinge, die uns ein Gefühl der Unbehaglichkeit vermitteln. Zudem schlüpfen kostümierte Menschen in eine Rolle und passen sich dieser an, so dass wir ihre wahren Intentionen noch schlechter einschätzen können.
Übrigens: Es war nie Stephen Kings Absicht, mit Pennywise einen Horrorclown zu erschaffen. Da Es sich von Kindern ernährt und diese anlocken will, nimmt es die Gestalt eines Clowns an – in der Annahme, dass alle Kinder Clowns lieben. So wird die äußere Erscheinungsform von Pennywise im Buch auch nicht als gruselig beschrieben, sondern erinnert an das McDonald’s Maskottchen Ronald McDonald. Die positive Gestalt von Pennywise blendet die Kinder – erst als sie seinen stinkenden Atem riechen oder seine bösartige Stimme hören, wird ihnen bewusst, was hinter der fröhlichen und anziehenden Fassade lauert.
Warum ist das Buch besser als der (alte) Film? – Ein Kommentar
Spoiler-Warnung: Dieser Abschnitt ist spoilerfrei für alle, die entweder das Buch gelesen und/oder schon den 1990er-Film gesehen haben.
Stephen Kings Es hat in der ungekürzten Taschenbuchfassung, die seit 2011 in Deutschland bei Heyne verlegt wird, über 1500 Seiten. Eine stolze Zahl, die selbst Vielleser abschreckt. Was spricht also dagegen, auf den Wälzer zu verzichten und sich stattdessen die Verfilmung von 1990 anzuschauen? Aus meiner Sicht eine Menge.
Ich habe Es zweimal gelesen. Als ich 15 war, hat mich das Buch begeistert wie keines zuvor und wie nie mehr eines danach. Ich fühlte mich wie ein Kind, das zum ersten Mal Star Wars gesehen hat. Jetzt, 18 Jahre später, verstört es mich, wühlt mich auf, erfüllt mich mit Schrecken und lässt mich auch Tage danach nicht los. Damals schaute ich den Film nachdem ich das Buch beendet hatte und war enttäuscht. In meiner Erinnerung hatte der Film zu viele Handlungselemente weggelassen. Nachdem ich Buch und Film ein zweites Mal hinter mir habe, weiß ich: Das war ein Irrtum. Es ist nicht die Geschichte, die Buch und Film so stark voneinander unterscheidet.
Das Buch fordert die ganze Kraft des Lesers. Es deprimiert, schockiert, verstört, aber es berührt auch zutiefst. Das namenlose Wesen, das von den Kindern nur Es genannt wird, ist so unbeschreiblich schrecklich, dass sein Anblick für den menschlichen Verstand nicht zu ertragen ist. Die Figuren sind tief traumatisiert von dem was sie erlebt haben. Die Schlüsselszene am Ende des Romans, als sie verdreckt und verletzt aus der Kanalisation emporsteigen, ihren Schwur leisten und mit geradezu tragischer Intensität das unabwendbare Ende ihrer Kindheit spüren, hat eine unglaubliche emotionale Wucht. Die sieben Freunde haben Es besiegt, aber sie können sich nicht darüber freuen. Sie haben überlebt, aber sie werden nie mehr dieselben sein, werden nie mehr wie unschuldige Kinder zusammen spielen, sind für immer gezeichnet von dem was sie erlebt haben. Sie müssen vergessen, um als Erwachsene weiterleben zu können. Sie müssen erwachsen werden, aber dafür haben sie überlebt – im Gegensatz zu den anderen Kindern, die Es getötet hat. Einzig und allein ihre Freundschaft, die alle Grenzen überschreitet, gibt ihnen Kraft. Dazu die Grausamkeit von Es, Sein Entsetzen, Sein Gestank, seine abgrundtiefe Bosheit, Sein unerträglicher Anblick und Sein unbeschreiblicher Ekel: Der Film verharmlost und degradiert all dies zur Nebensache. Er blieb einzig und allein in Erinnerung wegen Pennywise, dem gruseligen Clown – dabei ist dieser nur eine der vielen Illusionen des Formwandlers Es, die auf den über 1500 Seiten des Romans vielleicht dreimal erwähnt wird.
Die Verfilmung von 1990 schafft es nicht annähernd, den Schrecken, die Schwere, die Tragik, die epische und atmosphärische Gewalt des Buchs zu visualisieren. Erreicht die Neuverfilmung dies nur annähernd, steht uns ein Meisterwerk bevor.