Die Geschichte eines Gamers mit Behinderung

Gaming-Inklusion

Dies ist die Geschichte eines Gamers mit Behinderung.

Wie betrachtet ein 24-jähriger Gamer mit Behinderung die Welt der Videospiele im Gegensatz zu den meisten von uns?

Ich stehe auf einem Feld mit hohem Gras welches durch eine leichte Brise hin und her geschwenkt wird. Die Bäume in der fernen Umgebung verdecken das Sonnenlicht. Dort in der Nähe ist ein kleines Häuschen zu sehen, aus welchem eine Rauchwolke in den Himmel zieht. Wie weiße Wolken schwebt der Rauch über dem Horizont. Ich spiele gerade Skyrim. Ein Spiel das dank der ständigen Modifikationen und Optimierungen durch die Community vor allem visuell beeindruckt. Sie haben das Spiel optimiert, um es so naturgetreu wie möglich aussehen zu lassen. Jeder durchschnittliche Gamer wird das Spiel aus fast jedem Winkel absolut atemberaubend empfinden.

Für Robert Kingett, einen 24-jährigen Gamer aus Chicago, sind die Dinge ein wenig anders. Das Gras kann bei ihm wie ein fusseliger grüner Teppich aussehen. Die Bäume sehen aus wie große dunkle Sticks und die Wolken sind vor einem blauweißen Hintergrund kaum erkennbar. Aber trotz der Schwierigkeiten mit den Augen und der zerebralen Lähmung tut Robert das was die meisten anderen jungen Männer in seinem Alter tun: Er spielt Videospiele. Seine Behinderung hat ihn nicht daran gehindert zu spielen und Spiele zu testen. Für ihn ist es eine derartige Leidenschaft wie sie nur bei einer Handvoll Spielern zu finden ist. In einer Flut von E-Mails habe ich ihn gefragt wie er Videospiele spielt, worüber sich sein Haustier ärgert wenn er zockt und wie er so ansteckend optimistisch bleiben kann.

Welches Spiel war das erste Spiel das du gezockt hast, welches Spiel löste deine Leidenschaft für Videospiele aus?

Robert Kingett: Es war Jeopardy für DOS und ich war damals fünf Jahre alt. Ich habe es zu meinem Geburtstag bekommen. Die Fragen in dem Spiel waren für mich wirklich schwer zu lesen, so dass mein Großvater jedes Mal neben mir sitzen musste wenn ich spielen wollte. Er wollte mich nie dazu ermutigen sowas zu tun, weil er dachte, dass ich süchtig werden könnte. Trotz seines Mangels an technischem Wissen half er mir herauszufinden wie das Spiel funktioniert und wie es anzupassen ist. Damit wollte er mir die Möglichkeit geben auch in seiner Abwesenheit spielen zu können. Das hatte auf jeden Fall großen Einfluss auf mich. Bevor er starb, gab er mir mit: „Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.“ Ich lege viel Wert auf dieses Sprichwort, weil es wahr ist.

Was sind deine Lieblingsspiele-Genres? Interessierst du dich für diese Genres, weil sie für dich leichter zugänglich sind?

Ich habe tatsächlich Lieblings-Genres, die ich vorziehe, weil sie zurzeit ihr Versprechen, für die Mehrheit zugänglich zu sein, halten. Das sind RPGs und Tower Defense-Spiele. Ich will jedes Spiel, das ich in die Hände kriege ausprobieren, obwohl ich auch Spiele wie Action-RPGs, Abenteuerspiele, Side-Scroller und allgemein Spiele aus diesen Bereichen mag. Ich beschränke mich jedoch nicht auf meine Möglichkeiten. Es gibt auf jeden Fall Genres, die ich mag, aber nicht immer zugänglich sind wie beispielsweise Survival Horror, Puzzles, Kartenspiele mit Fantasy-Element wie Yu-Gi-Oh!, Magie oder Ego-Shooter, aber ich bin die Sorte Spieler, die allgemein Videospiele spielen, einfach weil es Spaß macht!

Ist Gaming am PC behindertenfreundlicher als an einer Spielekonsole? Ich könnte mir vorstellen, dass du am PC Dinge wie den Kontrast besser einstellen oder dir Texte vorlesen lassen kannst, anders als es bei Konsolen der Fall wäre?

Sehbehinderte Menschen verwenden am Computer zwei Arten von adaptiven Technologien – Sprachausgabe und Bildschirmlupe. Beide interagieren mit dem Computer auf einer sehr unterschiedlichen Weise. Dies hat mit unterschiedlichen Programmen und Websites unterschiedliche Ergebnisse. Mit Bildschirmlupen zu arbeiten ist einfach, weil alles, was du tust, den Bildschirm automatisch vergrößert. Die Sprachausgabe arbeitet anders. Auf einer Webseite hören Nutzer die Bildschirm-Sprachausgabe. Sie hören zum Beispiel den Titel der Website (vorausgesetzt es gibt einen). Dann wird jedes Textelement in der Reihenfolge, die in dem Dokument angezeigt wird, vorgelesen.  Wenn ein Programm nicht auf einer Weise kodiert wurde, dass der Bildschirmleser bzw. die Sprachausgabe die Buchstaben am Bildschirm lesen kann, dann wird ein Jemand wie ich das besagte Programm nicht verwenden können.

Steam ist völlig unzugänglich, da mein Screenreader nicht mehr funktioniert sobald Steam startet. Ironischerweise ist dies eine Plattform, für die mir eine Menge PR-Leute Review Codes geben wollen. Ich habe auch schon hohen Kontrast und weißen Text auf schwarzem Hintergrund verwendet, aber das Display zeigt Steam trotzdem nicht so, dass man mit hohem Kontrast etwas lesen kann. Nach einer Weile klage ich über starke Kopfschmerzen und ich möchte nicht weiter dort eingeloggt bleiben. Es ist eigentlich auch sehr schwer für mich Demos herunterzuladen, weil der Text auf Steam so klein und alles andere auf meinem Windows-Laptop zu groß ist. Steam bietet keine erleichterten Bedingungen für Behinderte an und deswegen komme ich nicht weiter.

Ich kann verstehen warum es viele Menschen mit Behinderungen mögen am PC zu zocken, weil sie auf die vielfältigen Kontrollzuordnungsoptionen zugreifen können. Ich finde jedoch einen Contoller ein wenig präziser. Für mich ist da mehr Bewegungsfluss drin, wenn ich an der PS4 spiele als mit einer Tastatur und Maus am Computer. Außerdem habe ich mit Computerspielen immer ein Kompatibilitätsproblem was die Grafik und solche Dinge angeht.

Ich muss die Grafikeinstellungen herunterschrauben, um den Spielfluss flüssiger zu machen, aber an der Konsole ist das nicht notwendig. Ich kann direkt mit dem Spielen loslegen und muss nicht vorher all diese nervigen Einstellungen vornehmen, um das Videospiel reibungslos zum Laufen zu bringen. Im Allgemeinen mag ich es eher an der Konsole zu zocken.

Ist es durch deine Behinderung schwieriger für dich mit anderen Spielern online zu kommunizieren? Wie haben die Menschen reagiert, als du an einem Multiplayer-Spiel teilgenommen hast? Oder bevorzugst du eher Single-Player-Spiele?

In Multiplayer-Spielen werde ich immer benachteiligt sein, denn ich kann nicht mehrere Bereiche des Bildschirms gleichzeitig ansehen, da ich einen Tunnelblick habe. Es ist wie der Blick durch eine Toilettenpapierrolle. Auch meine Zerebralparese behindert mich, aber nicht in Spielen wie MAGIC oder dergleichen, weil es sich um Strategiespiele handelt. Ich stottere und Menschen, die mit mir zocken wollen, sind schnell der Ansicht, ich klinge so als wäre ich behindert oder langsam beim Reden. Es macht mich traurig zu sehen, dass es nicht viele echte Gamer gibt, die es einfach nur genießen zu zocken, egal wie unfähig der Gegner ist. Ich kenne einige geistig behinderte Menschen, die besser spielen als die meisten Gamer. Wenn ich sage, dass sie besser spielen, dann meine ich, dass sie vom Geiste her besser spielen.

Ich habe ganz viele Erfahrungen in dieser Richtung gemacht und ich verstehe einige Dinge, die sie sagen überhaupt nicht. Es wird nie eine Elite-Gaming-Welt voll von epischen Spielern geben, die wissen wem jedes Osterei gehört. Gamer wollen spielen, ganz egal was andere sagen. Ich bin ein Gamer und ich werde immer spielen. Ich genieße die Kunst und alles weitere was Videospiele zu bieten haben. Dies bedeutet auch es mit allen anderen Menschen zu genießen, ganz egal wie und wer sie sind. Es gibt sogar Fälle von Menschen, die mit Hochdruck daran arbeiten sich abfällig über die Spielweise anderer in Videospielen zu äußern. Auch hier kann ich den Grund nicht verstehen. Ich will nicht, dass solche Leute uns Gamern das Spielen ruinieren.

Was denkst du ist die allgemeine Wahrnehmung in der Gaming-Community über Gamer, die eine Behinderung haben?

Ich denke, die allgemeine Wahrnehmung ist, dass Menschen mit Behinderungen in keinem Videospiel richtig gut sein werden. Natürlich gilt wie bei allem „Übung macht den Meister“ , aber es gibt immer Leute, die glauben, dass wir noch nicht einmal in Debatten einbezogen werden sollten, weil Videospiele nicht dafür entwickelt wurden, um für Sehbehinderte zugänglich zu sein. Das sollten sie aber, denn sie haben Unterhaltungswert für uns alle.

Was ist deine Motivation für das Spielen und Testen von Videospielen? Möchtest du, dass es eines Tages zu einem Vollzeit-Job wird oder ist es für dich einfach nur ein Hobby?

Die Motivation kam als ich ein Review in Electronic Gaming Monthly las bzw. hörte. Es war ein Review zum Spiel  Splinter Cell Blacklist. Ich war sehr glücklich darüber auch in der Lage zu sein eine Auflage von einer Spielezeitschrift zu lesen, weil es das einzige Magazin war, was von dem National Library Service für Blinde und Sehbehinderte aufgenommen wurde. Ich konnte kein Gaming-Magazin lesen und daher liebte ich es im Bett zu liegen und es wie ein Hörbuch zu hören. Keins dieser Reviews, die ich hörte, beantwortete meine Fragen. Wird das Spiel über ein HUD (Head-up-Display) leicht zu sehen sein? Hat das Spiel eine leicht lesbare Minikarte? Sind in dem Spiel Beschriftungen vorhanden, sodass mein tauber Freund mir helfen könnte? Bietet es Anpassungsmöglichkeiten der Steuerung an, womit ich einmalig eine Umschalttaste betätigen kann, statt Knöpfe gedrückt halten zu müssen?
Kein einziger Autor erwähnt diese eben beschriebenen Dinge. Somit habe ich eine große Suchaktion gestartet und nach Reviews recherchiert, die in Mainstream-Medien von Behinderten produziert wurden. Es gab eine Menge Reviews für nicht behinderte Menschen, aber ich wollte eine Website auf der in einem Mainstream-Review über unsere Probleme diskutiert wird. Ich habe nichts dergleichen gefunden und daher dachte ich, dass ich das übernehmen könnte. Ich war eigentlich überrascht, dass andere behinderte Gamer eine Zeitschrift wie Electronic Gaming Monthly nicht erreicht haben und keine Game Reviews bezüglich der Behindertenfreundlichkeit von Videospielen schreiben. Ich bin ein Autor durch und durch. Daher hoffe ich, dass ich eines Tages in Vollzeit meine Meinungen, Reviews, Einsichten oder News schreiben kann. Es wäre richtig geil, wenn ich Vollzeit Videospiel-Reviews schreiben würde. Wenn es tatsächlich passieren sollte, würde ich mich definitiv nicht beschweren. Im Moment werde ich weiterhin sehr hart arbeiten und fleißig bleiben. Alles, was ich tue, ist aus Leidenschaft, weil ich eine Menge Leidenschaft besitze. Wird diese Leidenschaft mit meiner Schreibweise kombiniert, geschieht etwas Wunderbares. Ich muss einfach weiterhin hart arbeiten.

Kannst du uns die genauen Schritte nennen, die du durchführst, um ein Videospiel zu testen? Welche Art von Software oder Setup verwendest du, um mit Spielen zu interagieren und sie zu erleben? Und nach welchen Kriterien bewertest du die Spiele? Wer hilft dir die Video-Reviews zu erstellen?

Bevor ich ein Spiel testen kann, muss ich das Videospiel besitzen. Um dies zu tun, kombiniere ich verschiedene Blog-Feeds und lese anschließend Nachrichten und Dinge über die Games einschließlich der kommenden Spiele. Ich markiere dann die Spiele, die ich haben möchte. Danach bitte ich um Rezensionsexemplare und hoffe darauf, dass die größeren Journalisten nicht alle Kopien erhalten haben. Oft sind die Exemplare schnell vergriffen. Wenn ich anfange zu spielen, spiele ich das Spiel nochmal, auch wenn ich es bereits durchgespielt habe. Es könnte nämlich passieren, dass ich vielleicht ein erleichterndes Element übersehen habe oder sagen wir, wenn ein Entwickler ein neues erleichterndes Element hinzugefügt hat, nachdem ich das Spiel bekommen habe. Ich nehme Sprachnotizen auf und tippe Notizen in mein Handy ein.

Ich habe meinen besten Freund Evan rekrutiert, um mit mir zu spielen. Ich mag es ihn als meinen Review-Partner zu benennen, weil er mehr als glücklich ist, mir bei allem was mit Gaming in Berührung kommt und womit ich Schwierigkeiten habe zu helfen. Sei es das Lesen kleiner Schriften in Systemen oder sonstiges. Meistens produziere ich Review-Videos, was für mich härter ist als ihr glaubt. Evan hilft jedoch, sie zu bearbeiten, damit sie ansehnlich aussehen.

 

Dieses Interview stammt aus dieser englischsprachigen Quelle und wurde von uns in die deutsche Sprache übersetzt:

IGN: I’M A DISABLED GAMER AND THIS IS MY STORY, [30.05.2014], online findet ihr es hier.

Unser CEO verbrachte seine Kindheit mit Commodore 64, SNES, Gameboy und Sega Mega Drive. Seine Begeisterung für IT und Technik ist von früh an nicht zu stoppen gewesen. In seiner Freizeit dreht er Cosplay-Videos für TVGC, die auf www.rezata.de zu sehen sind. Das Thema Gaming-Inklusion von Menschen mit Behinderung wurde von ihm ins Leben gerufen, da er selbst an Muskeldystrophie erkrankt ist.