England im Jahr 1136. Das Königreich steht am Scheideweg. Nach dem Tod des Königs Heinrich I. scheint ein Bürgerkrieg zwischen den Thronanwärtern Stephan und Matilda unausweichlich zu sein. Krankheit, Tod und Armut durchziehen das Land. In dieser düsteren Welt spielt der Weltbestseller Die Säulen der Erde von Ken Follett. In Zusammenarbeit mit dem Verlag Bastei Lübbe hat sich nun der deutsche Entwickler Daedalic an eine Umsetzung des Stoffes als Computerspiel gewagt. Was dabei herausgekommen ist, wirkt an vielen Stellen sehr stimmig, an anderen mangelt es. Wir konnten exklusiv die ersten sieben Kapitel des interaktiven Romans, der am 15. August erscheint, für euch testen.
Die Geschichte ist dabei in der fiktiven Priorei von Kingsbridge angesiedelt. Abwechselnd dürfen wir die Kontrolle über drei verschiedene Charaktere übernehmen. Im Prolog begegnen wir Tom Builder, einem Baumeister, und seiner Familie. Im Spielverlauf werden wir weiterhin in die Fußstapfen von Philip, einem Mönch und späteren Prior von Kingsbridge, und Jack, einem Jungen, der als Outlaw mit seiner Mutter im Wald aufgewachsen ist, treten. Die Säulen der Erde wird in drei Teilen erscheinen. Mit dem Release des zweiten Teils werden wir dann auch die Rolle von Aliena, der Tochter des Grafen von Shiring, übernehmen können.
Haupt- und Nebencharaktere sind erwartungsgemäß detailliert ausgearbeitet und besitzen eine gute Motivation. Toms großer Traum ist es, eine Kathedrale zu bauen. Philip will eigentlich nur das Beste für seine Priorei, muss zu diesem Zweck aber durch die politischen Intrigen des Adels und des Klerus navigieren. Was Aliena betrifft, so will ich hier keine Spoiler geben, doch bin ich auf jeden Fall auf den zweiten Teil gespannt, in dem sie eine größere Rolle spielen wird.
Die Grafik ist im Comic-Stil gehalten, wirkt aber trotzdem sehr düster und trifft damit den Ton der Vorlage sehr gut. Ein Orchester sorgt für musikalische Untermalung und sowohl die englischen wie auch die deutschen Synchronsprecher wirken äußerst professionell. Hervorragende Voraussetzungen für ein gelungenes Spiel also.
Doch kann Daedalic der Vorlage und dem eigenen Ruf als Spieleentwickler gerecht werden? Eigentlich ist das Studio berühmt für Point & Click-Adventures und dementsprechend ist auch die Steuerung gehalten. Mit einem rechten Mausklick betrachten wir Objekte und Charaktere. Mit der linken Maustaste interagieren wir. Auch ein Inventar ist vorhanden.
Allerdings handelt es sich hier eben nicht um ein klassisches Adventure. Zwar gibt es an einigen Stellen Eastereggs zu finden, aber herausfordernde Puzzles sucht man vergebens. Maximal werden ein oder zwei Gegenstände benötigt, die offen in der Spielwelt herumliegen, um die Story weiter voranzutreiben.
Lediglich die Quicktime-Events sind manchmal eine Herausforderung, lenken allerdings oft in einem sonst eher nachdenklichen Spiel ab. Es drängt sich der Vergleich zu anderen Genrevertretern auf, vor allem was Telltale’s Hitserien wie zum Beispiel The Walking Dead betrifft. Persönlich war ich noch nie ein Freund von QTEs, aber Telltale hat zumindest gelernt diese sinnvoll einzusetzen. Daedalic scheitert da an manchen Stellen. Braucht es wirklich ein Quicktime-Event, wenn Jack versucht, eine Hühnerkeule vom Tisch des Grafen von Shiring zu stehlen?
Vielleicht war es Daedalics großer Fehler, denn man merkt, dass sie so etwas Ähnliches wie Telltale machen wollten. So wird das Spiel nicht als Adventure, sondern als interaktiver Roman, vermarktet. Es wird großer Wert auf die Entscheidungen des Spielers gelegt, um die Story entsprechend diesen Entscheidungen anzupassen. Doch die Rechnung geht hier nicht so ganz auf. Während Telltale in der Regel eine originelle Story in einem bereits bekannten Universum erzählen kann, ist und bleibt Die Säulen der Erde eine Adaption der Romanvorlage und das widerstrebt dem Spielkonzept.
Die Hauptstory bleibt im Großen und Ganzen die gleiche. Mit unseren Entscheidungen können wir der Erzählung bestenfalls einen etwas anderen Geschmack geben. Lassen wir Tom im Prolog zu Protokoll geben, dass seine Kirche Hoffnung geben soll, so wird seine Tochter Martha sich diese Worte merken und in Kapitel 7 an Prior Philip weitergeben. Was Philip selbst angeht, so dürfen wir oftmals entscheiden, ob wir im Gespräch mit anderen das Wort Gottes zitieren oder eher humanistisch an das Gute in den Menschen appellieren.
Der Roman Die Säulen der Erde ist an vielen Stellen sehr grafisch erzählt. Entsprechend geizt auch das Spiel nicht mit Kraftausdrücken oder bunten Metaphern. Es wird daher interessant seien, den Beginn des zweiten Teils und damit eine gewisse Begegnung zwischen Aliena und William Hamleigh, einem der Antagonisten der Geschichte, zu sehen. Fans des Buches wissen wahrscheinlich, worauf ich anspiele. Bis jetzt habe ich das Gefühl, dass Daedalic nicht allzu sehr von der Vorlage abweichen wird.
Aber so gut Atmosphäre und Umsetzung auch sind, ändert es nichts daran, dass an manchen Stellen doch das Gefühl aufkommt, unsere Entscheidungen seien belanglos oder dass uns die Narrative zu bestimmten Handlungen zwingt.
Ein weiteres Manko ist die Kürze des Spiels. Obwohl ich mir die Zeit gelassen habe, möglichst alles zu erkunden und alle Gesprächsoptionen auszuschöpfen, hatte ich doch die ersten sieben Kapitel – von insgesamt 21 – in weniger als sechs Stunden durchgespielt. Hochgerechnet auf alle drei Teile wären das ungefähr 18 Stunden, was dann doch etwas dürftig für eine über tausend Seiten lange Romanvorlage erscheint. Dadurch, dass die Entscheidungen des Spielers in die Zwänge der Story passen müssen, sehe ich auch den Wiederspielwert nicht wirklich gegeben. Dazu müsste Daedalic schon verdammt viel an Schreibkunst im dritten Teil aus dem Hut zaubern.
Fans des Mittelalters, mittelalterlicher Architektur und natürlich von Ken Folletts Säulen der Erde werden durchaus ihre Freude an diesem Spiel haben. Auch Freunde einer guten Story mit komplexen Charakteren und politischen Hintergründen werden sich hier gut aufgehoben fühlen. Wer allerdings auf ein klassisches Point & Click-Adventure mit stundenlangen Knobeleinlagen gehofft hatte, der sollte sich den Kauf besser zweimal überlegen.