Eine idyllische Kleinstadt in der Pampa von Montana, USA. Ein wahnsinniger Prophet, der den Untergang der Welt ankündigt. Seine blutrünstige Sekte, die mit Motorrädern Jagd auf Ungläubige macht – und ein Sheriff, der lieber Knöllchen verteilen wollte, aber jetzt den ganzen Laden wieder in den Griff bekommen soll. Was uns die neuen Ubisoft-Trailer da an interessanten Stoffen vorführen, will man zunächst gar nicht mit dem Far Cry-Franchise in Verbindung bringen. Auch wenn sich das Logo irgendwie ans Ende verirrt hat.
Ich meine, Far Cry, ist das nicht diese Spielereihe, wo der Spieler immer wieder von Warlords um seinen wohlverdienten Urlaub gebracht wird? Sei es jetzt eine tropische Insel, Afrika, wieder eine tropische Insel, das asiatische Hochgebirge oder der vorzeitliche Urwald – kaum sind wir angekommen und wollen die Welt auf uns wirken lassen, geraten wir in irgendeinen Krieg zweier Parteien, den wir dann für uns entscheiden müssen. Dabei lernen wir stets aufs Neue in der Natur zu überleben, uns stylische Waffen und Taschen zu craften und mit Drogen eine Welt jenseits der Sphären zu erreichen. Draußen in der Wildnis machen wir uns wieder mit unseren ältesten Instinkten vertraut und kehren zu einem vergessenen Gleichgewicht zurück. So cool diese Geschichte auch klingen mag, sie verliert an Epik, wenn sie immer wieder ohne nennenswerte Neuerungen nach Muster X abgeliefert wird. Far Cry 5 steht unter dem Druck seiner teilweise enttäuschenden Vorgänger.
Es scheint für viele Entwickler zum Trend geworden zu sein, plötzlich neue Routen einzuschlagen, wenn der Kreisverkehr ihrer Spieleproduktion jetzt auch den letzten, toleranten Spieler anödet. Die Goldkühe können halt nicht ewig gemolken werden, die magischen Formeln schlagen irgendwann eben keine Funken mehr. Während Dice bei Battlefield 1 mit dem ersten Weltkriegsszenario einen gewaltigen Schritt in die Vergangenheit machte und Konami mit Resident Evil 7 seine bekannten Mechaniken in ein modernes First-Person-Szenario einbaute, weckt Far Cry 5 mit seinem kontroversen Szenario-Wechsel plötzlich wieder mein Interesse und das vieler anderer Spieler. Es könnte ein gutes Spiel werden, wenn es seine Prämissen komplett ausschöpft. Also Ubisoft, du Problemkind, das einen doch noch manchmal überrascht – ich dachte mir, ich schreibe dir hier gratis (also das Gegenteil zu deinen In-Game-Käufen) mein Konzept, wie du von mir eine gute Review für ein ebenso gutes Spiel bekommen kannst. Weil du vor allem aus den Fehlern deiner alten Teile lernen kannst, wo du auch Ideen mit Potenzial hattest, die du dann aber aus Zeitknappheit, geringer Risikobereitschaft, Faulheit oder was auch immer nicht genutzt hast.
Gepimptes Setting: Old Mac Michael has a Church – Hia, Hia, Amen
Gute Landluft, unheilvoll bimmelnde Kirchenglocken und geladene Jagdgewehre – das hört sich doch schon sehr verlockend an! Aufgrund der räumlichen Verortung und der politischen Brisanz ist das Setting wohl der umstrittenste und auch der interessanteste Punkt von Far Cry 5. Als ein sehr patriotisches Land mit einer verstrickten Religionsgeschichte, die bis zu den Siedlern und Indianern zurückreicht, lockeren Waffengesetzen und einer ausbeuterischen Marktwirtschaft bietet Amerika allgemein schon eine interessante Basis für den Kampf gegen eine fanatische Sekte. Vor allem, weil der Schauplatz – Montanas ländliche Pampa – technisch zurückgeblieben ist, abgeschieden von der Außenwelt liegt und die dortigen Bewohner – meist ungebildete Bauern – stark verarmt sind. So ist es auch kein Wunder, dass sie sich in ihrer Verzweiflung einer Sekte anschließen, die ihnen wieder einen Sinn und ein Gemeinschaftsgefühl verleiht. Wegen der Abgeschiedenheit müssen sie sich auch nicht davor fürchten, dass die Regierung ihre Geschäfte stört, wenn diese sich zuvor ja auch nicht um ihre Probleme gekümmert hat.
Hierbei ist ein leichter, gesellschaftskritischer Unterton herauszuhören, wenn Ubisoft sich gerade mit einer der Bevölkerungsgruppen beschäftigt, die größtenteils dafür verantwortlich war, dass Donald Trump zum Präsident gewählt geworden ist. Wem man nicht hilft, der hilft sich halt anders. Legt man den Fokus nur auf den Aspekt der religiösen Radikalität, könnte man auch sagen, dass bei Far Cry 5 auch indirekt das globale Wirken des IS-Terror behandelt wird.
Das Szenario stellt aus vielen Gründen keine schlecht Wahl dar – und das auch unabhängig vom offensichtlichen Appell an unsere extremsten Assoziationen mit radikalen Sekten: Religiöse Morde, düstere Messen und verstörende Lebensweisen – huh, das wird bestimmt okkult und mysteriös! Wie schon Bioshock Infinite gezeigt hat, ist ein Gegner, der seine Gewalt auf eine Philosophie stützt, komplexer und interessanter als jemand, der seine Macht nur darauf stützt, weil er im Gebiet das größte Ego und die größten Wummen hat.
In Verbindung mit dem neuen Schauplatz wirkt das Ganze auch fassbarer als die Prämissen von Far Cry 3 und Far Cry 4: Alles auf fiktiven, anarchistischen Inseln und Plätzen spielen zu lassen – das ist einfach, das braucht keine Gründe oder Vorgeschichte, das ist wie ein Strategiespiel, bei dem es nur um Rohstoffe abbauen und Soldaten ausbilden geht, ohne Zivilisten oder irgendetwas anderes, das den Kriegsepos stören könnte. Aber einen Sektenkrieg direkt im normalen Alltag auszutragen, vor der Haustüre mit Katzenklappe, das betrifft auch Nicht-Involvierte und nötigt sie dazu, sich mit dem Wenigen, was sie haben, zu beteiligen: Sei es jetzt ein Traktor, eine Kettensäge oder Omis alter Revolver im Nachttisch. Es kommt damit zu einem schmutzigen Kollateral-Krieg der einfachen Bürger, der Zerbrechlichen und Unerfahrenen.