(Test basiert auf der Xbox One Version)
Die Tollwut ist eine der Krankheiten, die dem Zombie-Dasein in seiner einfachsten Form sehr Nahe kommt. In Dying Light mutiert diese Krankheit und rafft fast die gesamte Menschheit dahin oder lässt die Infizierten als aggressive Zombies durch die Straßen wandeln. In diese ausweglose Situation stolpert man als Kyle Crane, der die undankbare Aufgabe erhalten hat, als Undercover Spec Op die Quarantäne Zone von Harran in der Türkei zu infiltrieren. Neben den Zombies trifft Kyle auf nicht minder gefährliche Gruppierungen und einen Ex-Politiker der nun mit Terror in der Quarantäne Zone die letzten Überlebenden einzuschüchtern versucht.
Dying Light startet, anders als man es vermuten würde, mit einem musikalischen Clou. Statt rockige Bass Klänge oder E-Gitarre, gibt es hier eine musikalische Untermalung, die an die Euro Zombiefilme, speziell die Werke von George A. Romero erinnert. Dieses Auswahl der Musik setzt gleich zu Beginn ein Statement ; hier wird es hart und gnadenlos werden und jeder kann sterben. Genau das ist ein Pluspunkt, der selbst kritische Zombiefans begeistern dürfte.
Der radikale Überlebenskampf wird durch die Abwesenheit eines Tutorials, als erste Spielerfahrung, förmlich auf den Spieler übertragen. Statt langsamer Einweisung gibt es hier erstmal einen Kampf mit den Einheimischen, zu denen sich ebenfalls ein paar Untote gesellen. Ganz nebenbei wird hier ein wichtiges Spielelement ganz subtil an den Spieler getragen. Es ist nicht das bloße zielen mit einer Waffe, das für Angst unter den Überlebenden sorgt. Vielmehr ist es das Schußgeräusch und die daraus resultierende Hölle, die die Überlebenden zu Eissäulen erstarren lässt. Dying Light überzeugt hier mit einem glaubwürdigen Realismus, der in ein fiktives „Was wäre wenn“ Szenario gepackt wurde. Insgesamt werden die gängigen Klischees und Konventionen, die man aus Zombiefilmen sowie Spielen kennt, in vielen Teilen umgekehrt und sorgen daher für die ein oder andere positive Überraschung.
Da Dying Light viel Stoff für spielerische Vielfalt liefert, könnte man das Töten der Zombies sogar als sekundär betrachten, denn viele Wege führen ans Ziel. Mikromanagement ist ein großer Bestandteil der offenen Welt von Dying Light. Hier müssen Items gesammelt werden und an anderen Stellen ist es wichtig, in weiser Voraussicht, Fallen zu präparieren, die oftmals die Waagschale zu Gunsten des Spielers auspendeln lassen. Erwähnenswert ist hier, dass die Fallen an verschiedene Herangehensweisen angelegt sind. Ist man eher der offensive Spieler, wird man verstärkt auf Stromfallen und Todeszonen in Form präparierter Autos zurückgreifen. Ist man eher defensiv veranlagt, um Geräusche zu vermeiden, reichen Lichtfallen, die besonders in der Nacht so überlebenswichtig sind, wie die Luft zum atmen.
Fallen sind ein tragendes Spielelement, da die Zombies zugleich dumm, aber auch klug sind. Etwas was man in der Form vielleicht bis dato noch nicht erlebt hat. Die eher langsamen Vertreter der Madensäcke neigen dazu, den Spieler durch Masse geschickt in eine Ecke zu navigieren, aus der man nur unter großen Anstrengungen entkommen kann. Eine Anekdote sei hier erwähnt; meine erste Amtshandlung im Spiel war das verlaufen in einer Toilette, auf der ich dann von einem Rudel Untoter regelrecht massakriert wurde. Statt einem ausgeklügelten taktischen System, schicken diese Vertreter der Untotenzunft gerne mal Massen ihrer faulen Freunde wie am Fließband hinter einem her. Hier muss dann selbst der beste Kämpfer die Flucht ergreifen.
Bevor man sich siegessicher ins Getümmel stürzt, sollte man eine Sache verinnerlicht haben. Der taktischer Rückzug aus einem Kampf ist oftmals die bessere und erfolgsversprechendere Variante der Herangehensweise. Bis dato kenne ich Zombiespiele eher als primär offensive Spiele. Man schiesst, lädt nach und tötet den nächsten Untoten per Quick Time Event, ohne dabei in Schweiß auszubrechen. Umso erfreulicher, dass man in Dying Light gezwungen ist, Gefahrensituationen einzuschätzen und zu planen. Denn wo ein Zombie wandelt, können schnell noch vier bis fünf andere aus dem Gebüsch auftauchen und blitzschnell zuschlagen.
Daher sollte man Dying Light vielmehr als einen Genremix verstehen, der es schafft, überzeugend diverse Ideen zu kombinieren. Wir haben die Strategie in Form der Kampfanalyse und Abwägung, sowie Tower Defense Elemente, wenn es um Fallen geht. Ein anderes Genre ist ebenfalls vertreten und passt sehr gut in das Konzept; Stealth. Schleichen und nicht gesehen werden spielt im Nachtzyklus des Spiels eine entscheidende Rolle. In der Dunkelheit gibt es einen sehr aggressiven Zombietypus, der den Spieler wittern kann, trotz Dunkelheit und diesen dann gnadenlos verfolgt. Vergleichbar mit den Infizierten aus dem Film I am Legend. Dramaturgisch ist diese Nachtphase im Spiel ein sehr wirkungsvolles Element. Die Unberechenbarkeit dieser Hunter sorgt für wohl gesetzte Schockmomente, die selbst dann für ein Zusammenzucken sorgen, wenn draussen die Sonne scheint. Man kann diesen Nachtmodus als ein komplett anderes Spiel im Spiel selber werten, da hier andere Maßstäbe zum Überleben gelten.
Wenn man eine gewisse Zeit lang in das Spiel vertieft ist, wird sich eine gewisse Paranoia feststellen lassen. In der gesamten Spielwelt warten einige Gemeinheiten und Strafen darauf, entdeckt zu werden. Um ein Beispiel zu nennen, es kann schon mal passieren, dass auf einer Strecke die man glaubt zu kennen, Fässer auslaufen, die Chemikalien und Dampf freisetzen, der für die Gesundheit nicht allzu gut ist. Oder man feuert eine Waffe in einer leeren Lagerhalle ab und erhält zur Strafe fünf sehr hartnäckige Parkour Zombies, die sich an die Fersen heften und sich so leicht nicht mehr abschütteln lassen.
Durch das Auftreten von neuen Zombietypen, die von Stufe zu Stufe gefährlicher werden, wird die Schwierigkeitsschraube sehr stark angezogen und man sieht sehr häufig den Game Over Screen. Hier gerät in bestimmten Situationen das Balancing etwas aus dem Ruder, da man von der Masse der Gegner überflutet wird. Zudem sind zu Beginn des Spiels die Waffen sehr fragil und bewirken zu wenig Schaden, daher sind Kämpfe zu diesem Zeitpunkt oft reines Glücksspiel.
Um dieses Problem auszugleichen, stehen zahlreiche Möglichkeiten offen, sich aus Gefahren zu befreien. Die Welt in Dying Light ist nutzbar bis zur kleinsten Strebe einer Brücke. Es gilt die Regel: „Wenn du etwas siehst, dann kannst du draufklettern“. Jede Mauer und auch jeder Vorsprung ist durch Parkour Tricks erreichbar, sofern es sich nicht um die Spielbegrenzung handelt. Die Befürchtungen, dass das Parkour Feature nicht sinnvoll in das Spiel passen könnte, darf man daher getrost ignorieren. Die Basics des Freerunning sind für jeden Spieler im Spiel umsetzbar und ausreichend. Will man allerdings das Maximum herausholen, kommt es auf den Spieler selber an, wie er das Spiel spielt.
Bestimmte Aktionen beim spielen füllen die Balken mit Erfahrungspunkten. Diese teilen sich auf drei Hauptbereiche auf. Jeder dieser Bereiche ist isoliert betrachtet ein Spielelement. Survival, Agility und Power. Spielt man das Spiel eher in Konfrontationsabsicht, so füllt sich der Power Balken. Spielt man im Freerunning Modus und nutzt dieses Element ausgiebig statt zu kämpfen, steigt die Agility Leiste. Hier erkennt man, dass man als Spieler letzendlich die Entwicklung des Spiels selber bestimmt.
Eine ausgewogene Spielweise ist ratsam, da auch Gegner im weiteren Spielverlauf, neben neuen Erscheinungsformen auch einige Tricks lernen wie zum Beispiel ausweichen. Das ausweichen kann sehr üble Konsequenzen haben, wenn dies genau dann passiert, wenn man gerade dabei ist, zum Schlag mit einer Waffe auszuholen. Im Vergleich zu Dead Island ist Dying Light insgesamt ein schwierigeres Spiel. In der Welt von Harran liegen nicht an jeder Ecke Lebensmittel aus, die verlorene Energie auffüllen. Hier heisst es stattdessen „suchen und hoffentlich finden“. Ein Unterschied existiert auch im Waffenhandling. Die einzelnen Arten der Waffen haben einen signifikanten Einfluss auf die Kampfstamina. Ein kleines Messer ist zum Beispiel schnell gezückt und bereit zum einstechen, während ein Baseball Schläger oder eine Zementstrebe etwas mehr Stamina nebst Zeit benötigt um geschwungen zu werden.
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Für ein Zombiespiel ist die Story von Dying Light angenehm vielschichtig und wird durch Nebenmissionen dezent ergänzt. Die optionalen Missionen erweiteren den Eindruck der NPC um einige Facetten. Gerade in einer Apokalypse hat man es nämlich nicht nur mit Helden zu tun. Vielmehr gibt es in Extremsituationen auch Menschen, denen die Sicherungen durchbrennen und die anfangen absurde Dinge zu tun oder Gedanken zu äussern die man bestenfalls als wirre Fieberfantasien bezeichnen würde.
Da Dying Light ein Open World Titel darstellt ist das Spiel eine sehr langfristige Angelegenheit. Das Spiel ist auch im Coop-Modus spielbar, der sehr stabil läuft. Insgesamt sollte man circa 35 Stunden für das Spiel ansetzen, wobei diese Angaben von Spieler zu Spieler unterschiedlich ausfallen dürften. Dennoch bleibt unter dem Strich ein sehr umfangreiches Spiel, welches leider offiziell nicht in Deutschland erscheinen wird.