Wirklich relevante Nebenquests sucht man vergebens und auch die Hauptstory von Arcania sprüht nicht gerade vor Kreativität. Zunächst wollen wir uns an Rhobar für die Zerstörung unserer Heimatinsel und den Tod unserer Verlobten rächen. Schon allein das stößt vielen Veteranen sauer auf. Schließlich haben wir Rhobar durch drei Spiele und zwei Add-Ons geführt und identifizieren uns somit viel stärker mit ihm als dem neuen Helden. Später stellt sich heraus, dass der König von einem Dämon besessen ist und sich auch noch ein anderes uraltes Übel erhebt.
Hier ergibt sich die einzige wirkliche Bereicherung für das Gothic-Universum. Auf den südlichen Inseln wurde einst eine Göttin angebetet, deren Name heute in Vergessenheit geraten ist. Sie wird stets mit zwei Köpfen dargestellt, die verschiedene Seiten ihrer Persönlichkeit verkörpern. Einst dienten ihr übernatürliche Wesen – die dämonenhaften Ahn ´Bael und die engelsgleichen Ahn ´Nosiri, deren Streit über das Schicksal der Welt in einem Krieg eskalierte.
Dabei handelt es sich um eine frühe Form der Götter, die wir bereits kennen. So leiten sich die Namen Innos und Beliar ganz offensichtlich aus den Namen der Dienerinnen Nosiri und Bael ab. Xardas spekuliert, dass die Göttin eventuell die Mutter oder Schwester der Götter war. Selena, die einzig verbliebene Hohepriesterin der Ahn ´Nosiri, stellt im Add-On allerdings klar: Die Göttin selbst ist Adanos, was vom Helden mit folgenden Worten kommentiert wird: „Adanos ist eine Frau?“ Offensichtlich ist sie das, auch wenn Selena selbst in Frage stellt, ob Götter überhaupt ein Geschlecht haben. Wenn man die linguistische Finesse weiter konsequent anwendet, ergibt das auch Sinn: Ahn ist wahrscheinlich der ursprüngliche Name der Göttin. So lässt sich vielleicht Ahn ´Nosiri, was im späteren Sprachgebrauch der Welt zu Adanos wurde, frei mit ‚Das Gute in Ahn‘ und Ahn ´Bael mit ‚Das Böse in Ahn‘ übersetzen.
Im echten Leben nennt man so etwas Synkretismus – die Übernahme und Anpassung einer religiösen Idee in ein neues Weltbild. So gab es zum Beispiel im ptolemäischen Ägypten den Gott Serapis, der sowohl Elemente des altägyptischen Gottes Osiris als auch der hellenistischen Götter Zeus und Hades in sich vereinte. Was in der realen Welt funktioniert, ist allerdings in einem Fantasy-Universum problematisch. Denn in Gothic 3 konnten wir mit Innos und Beliar direkt interagieren. Heißt das also, dass es in Wirklichkeit die Göttin war, die in einer Art Schizophrenie mit zwei verschiedenen Stimmen sprach? Die Antwort ist schwierig. Aber gerade diese Ambiguität ist einer der interessantesten Aspekte der Story und einer der wenigen Punkte, die dafür sorgen, dass die Welt lebendig wirkt.
Was die Technik in Arcania betrifft, so kann sich die Grafik durchaus sehen lassen und ist mit Abstand die schönste der gesamten Reihe. Kleine Bugs wie Sound-Aussetzer oder Probleme bei der Schattendarstellung gab es zwar, diese waren aber bei weitem nicht so dramatisch wie in Gothic 3. Die Steuerung wurde erheblich verbessert, was allerdings noch eklatanter als im Vorgänger die taktische Tiefe des Kampfes beeinflusst. Dies ist wahrscheinlich auch dem Umstand geschuldet, dass ein Gothic-Titel erstmals auch auf den Konsolen PS3 und Xbox360 erscheinen sollte.