Die Verkaufsstrategie von Jowood verlief über drei Schienen: Portierung auf Konsolen, mehr Zugänglichkeit und eine Internationalisierung des Absatzmarktes. Vor allem die beiden letzteren Ziele gingen allerdings extrem nach hinten los. Arcania lässt vieles von dem vermissen, was Rollenspiele im Allgemeinen und die Gothic-Reihe im Besonderen bis dahin ausmachten. Das Leveling ist spartanisch. Pro Stufenaufstieg bekommen wir drei Charakterpunkte, die wir in acht Gebieten investieren können. Perks werden automatisch freigeschaltet, ohne dass wir wie in früheren Teilen einen speziellen Trainer finden müssen. Ausrüstungsgegenstände wirken generisch und regen kaum zum Sammeln an. Crafting erfolgt über ein liebloses Menü. Zwar können Gegenstände wie Schmiedeambosse und Betten in der Welt benutzt werden, doch sie bewirken nichts.
Noch bevor der Prolog wirklich abgeschlossen ist, lernen wir von einer alten Kräuterhexe auf Feschyr quasi nebenbei die Kunst der Magie – kein Vergleich zu den alten Teilen. Wollte man in Gothic oder Gothic 2 Feuermagier werden, musste man erstmal einige Spielstunden investieren. Das hatte auch seinen Grund, denn damit war man auch gleichzeitig ein Priester des Gottes Innos und musste sich entsprechend als würdig erweisen.
Das allein wäre schon genug, um Rollenspiel-Puristen abzuschrecken, aber die fast zwanghafte Ausrichtung des Spiels auf den internationalen Markt war noch schlimmer. Wenn zu viel Marktforschung betrieben wird, dann kommen Sinnlosigkeiten dabei heraus, die an sich nichts mit gutem Gamedesign zu tun haben. So lässt sich in den Optionen das Farbschema zwischen europäisch und amerikanisch wechseln, da unsere Freunde jenseits des Atlantiks offenbar kräftigere Farben bevorzugen.
Diese fehlgeleitete Strategie ließ sich auch schon vor Release erkennen. Gemeinsam mit dem World of Gothic – Forum wurde ein Story-Wettbewerb veranstaltet. Fans konnten Kurzgeschichten schreiben, die dann später im Spiel verewigt werden sollten. Eine Geschichte sollte von der deutschen Community, eine zweite von der englischsprachigen Community und eine dritte von der Jury aus WoG, Jowood und Spellbound gewählt werden. Symptomatisch fiel die Wahl der Jury auf eine der internationalen Kurzgeschichten.
Materialisiert hat sich allerdings keine der drei Geschichten im Spiel. Wieder einmal scheint nicht genügend Zeit für die Fertigstellung eingeplant worden zu sein, denn ab circa der Hälfte der Spielzeit lässt sich ein merklicher Qualitätsunterschied feststellen. So verändern sich plötzlich die Zwischensequenzen von vorgerenderten 3D-Szenen zu simplen Diashows von Konzeptart und die Story wird noch linearer als sie es ohnehin schon war.
Vielleicht kam diese Hektik zum Release auch von der finanziellen Notlage, in der sich Jowood bereits befand. Es half allerdings alles nichts. Der Versuch, die eierlegende Wollmilchsau zu programmieren, wurde mit dürftigen Verkaufszahlen der entfremdeten deutschen Community und Schulterzucken seitens des internationalen Publikums quittiert. Arcania verkaufte sich in der ersten Woche 31.000 mal, während das komplett verbuggte Gothic 3 bei Verkaufsstart noch auf 150.000 Exemplare gekommen war. Nur drei Monate nach dem Release, im Januar 2011, meldete Jowood Insolvenz an und wurde ein halbes Jahr später vom schwedischen Publisher THQ Nordic übernommen.
Spellbound werkelte zu dieser Zeit noch am Add-On Fall of Setarrif. Nach einigem Hin und Her kam es noch zum Release. Allerdings hatte THQ Nordic offensichtlich kein Interesse daran, noch mehr Geld und Zeit in einen Flop zu investieren. Um es kurz zu machen, kann Fall of Setarrif seine Existenz als Standalone Add-On noch weniger rechtfertigen als seinerzeit Götterdämmerung. Die Quests lassen sich an einer Hand abzählen und die Story mag zwar mit einer Spielzeit von unter fünf Stunden als kleiner Epilog, aber keinesfalls als Erweiterung, für Arcania dienen. Die Offenburger Spieleschmiede Spellbound schleppte sich noch ins Geschäftsjahr 2012, bevor auch dort die Pleite vor der Tür stand und das verbliebene Team sich unter dem Namen Black Forest Games neu aufstellen musste.