Zugegeben, ich war nie der große Max Payne Fan. Mich haben die damaligen PC sowie Konsolenausflüge immer kalt gelassen, kalt wie die sogenannte New York Minute in der Max alles verliert. Neben einer eher miesen filmischen Aufarbeitung des Spiels, ohne nennenswerte Highlights, wohl aber mit Walküren (Valkyres) im Drogenwahn, verlor ich Max Payne so ziemlich aus den Augen, bis jetzt.
Die Max Payne Serie bestach durch einen düsteren Crime Noire Style, der durch diverse Elemente in der Handlung um die Facetten Macht, Korruption und Moloch erweitert wurde. So spielten beide Vorgänger in einem New York, welches zur damaligen Zeit in gewisser Weise eine Prognose über Machtverhältnisse der Zukunft liefern sollte. So beherrschten Korruption und Gewalt das aktuelle Tages – sowie Nachtgeschehen. In dieser Zeit wird Max Payne´s junge Familie Opfer einer Verschwörung, die damit endet, dass Max zum Abschuss freigegeben wird. Rockstar hat die Zeichen der Zeit erkannt und so wie die Max Payne Fans der ersten Stunde altern, unterliegt Max Payne 3 auch einem Generationswechsel.
Eine Runde Ungerechtigkeit bitte
Vom dunklen New York verschlägt es Max, nun in Würde gealtert, nach Sao Paulo wo er sich als privater Sicherheitsdienst seinen Lebensunterhalt verdient. Da es immer eine problematische Sache ist, vor den Geistern der Vergangenheit zu fliehen, holt die traurige und harte Realität Max recht bald ein. Als die Frau seines Auftraggebers von einer radikalen und gewaltbereiten Straßengang entführt wird, sieht sich Max mit den Stimmen der Vergangenheit konfrontiert. Damals konnte er seine Frau nicht retten, doch wie sieht es heute aus?
Die Story in Max Payne 3 ist nicht gerade originell oder konzeptionell neu. Das Leitmotiv „Rache“ sowie „Vergangenheitsbewältigung“ finden sich nicht nur in zahlreichen Spielen wieder, sondern wurde bis dato auch recht erfolgreich im cineastischen Sektor umgesetzt. Hier seien als Referenzen Taken (96 Hours) oder Man of Fire genannt, die man von ihrer Kompromißlosigkeit doch sehr stark mit Max Payne 3 vergleichen kann. Was noch vielmehr als die Story interessiert, ist der Transfer der Max Payne Serie in das Jahr 2012. Nur zur Erinnerung, der letzte Max Payne Titel wurde 2003 veröffentlicht und demnach liegt fast eine Dekade zwischen beiden Titeln.
In den Vorgängern hatte man als Spieler zwar jederzeit das Gefühl, dass man ein Spiel spielt und abschliessen kann, allerdings wurde man dank der Ungerechtigkeit der vorgegebenen Story, einer Art Hilflosigkeit ausgesetzt, die trotz der emotional eingesetzte Gewalt nicht über ein flaues Gefühl im Magen hinwegtäuschen konnte. Als Spieler fühlt man sich einfach nicht gut, wenn man die fiktive Pixelfamilie nicht retten kann und vielmehr noch von Gesetz und Freunden verraten wird, obwohl man sich durch einen schier unendlichen Spießroutenlauf gequält hat. Max Payne 3 räumt hier endlich auf und das nicht nur sprichwörtlich. Anstatt ein Duckmäuschen zu sein und Gnade walten zu lassen, wird der Gewalt und Ignoranz der Slow Motion Krieg erklärt und das nicht zu knapp. Was hier auffällt, ist dass die ruhigen Momente in der Storyline niemals zur Schwäche der Good Guys beitragen, sondern eben alle emotional tiefgründigen Charaktere in ein klares Licht rücken. So gibt es in Max Umfeld viele Figuren, die auf den ersten Blick sehr dubios und verschwörerisch erscheinen, aber im weiteren Verlauf eben voll hinter Max stehen.
John Woo would be proud
Die Story und die gesamte Inszenierung ist für einen Third Person Shooter nicht nur solide sondern richtig tiefgründig umgesetzt worden. Da die Story um Rache und Befreiung recht unspektakulär ist, erscheint es umso erstaunlicher, dass man in Max Payne 3 sogar Charakter Development wahrnehmen kann. Als Spieler glaubt man einfach, dass Max Payne gealtert ist und mittlerweile eher dem Spektrum „Hoffentlich sterbe ich einfach nur“ zuzuordnen ist. Anhand dieser emotionalen Komponente sieht man schon, dass sich der dritte Max Payne Teil in einem markanten Detail treu geblieben ist. Nämlich dem Heroic Bloodshed Motiv des asiatischen Kinos der 80er und frühen 90er Jahre. Hier waren die Helden vordergründig ebenfalls unzerstörbar, aber innerlich zerrüttet und durch moralische Wegfindungen gehemmt. Als Referenz hierzu seien diverse Werke von John Woo empfohlen (A better tomorrow, The Killer oder Hard Boiled).
Vom Gewaltaspekt ist Max Payne 3 eine wahre Choreografie der Zerstörung und des Tötens. Sämtliche Shootouts mit Feinden fühlen sich an wie der Showdown in A better tomorrow 2. Zielen und schießen geht flüssig von der Hand und nicht selten ertappt man sich dabei, kreisende Bewegungen zu machen oder sich vom vorgegebenen Flow des Spiels fangen zu lassen. Man entwickelt trotz des sehr actionlastigen Spielprinzips dennoch ein gewisses Auge für den Tanz mit den Kugeln. Bis dato haben dies Spiele recht selten geschafft. Natürlich ist die Bullet Time ebenfalls im Spiel vorhanden und besser als jemals zuvor. Die Zeitlupenfunktion dient nicht einzig und alleine der Belustigung am Bildschirmgeschehen, vielmehr funktioniert diese als cineastischer Filter. Treffer werden wie im Hong Kong Action Kino als das gezeigt was sie sind, blutig und unkompliziert. Hier hat Rockstar bewiesen, dass man mit Realismus den Spieler emotional mehr beeindrucken kann, als bei jedem Schuß Arme und Beine zu amputieren oder gefühlte 6 Milliarden Liter Blut aus einer kleinen Streifschußwunde sprudeln zu lassen.
Einziger Nachteil an der direkten Bullet Time ist die Länge der Animation. Diese wirkt teilweise etwas zu lang, da man in aller Ruhe fast jeden Gegner anvisieren kann, während man dabei alle Zeit der Welt hat und die Kugeln der Feinde an den Ohren vorbei fliegen. Ein wenig zum schmunzeln, da man sich auch hier wie das Eichhörnchen aus Ab durch die Hecke fühlt, nach dem Genuß einer Dose Cola. Ein großes Problem ist das Dodge System in Max Payne 3. Hier wurde leider geschlampt. Während einer Dodge Aktion kassiert man nämlich einiges an Kugeln, da Gegner leider nicht dumm sind und ebenfalls in Deckung gehen oder das Feuer auf den Punkt fokussieren, auf dem man landen wird. Daher sollte man diese Ausweichfunktion nur dann benutzen, wenn das Kampfareal überschaubar ist, was Deckungsmöglichkeiten angeht. Ansonsten verlaufen viele dieser Aktionen nämlich im Sand und man ist bis zur nächsten Deckung hilflos dem Dauerfeuer ausgesetzt.
Shop smart, Shop S-Mart
Back to the Roots ist auch das Motto des Waffenarsenals. Über die meiste Zeit ist man mit Sub Machine Gun, 9mm Pistole oder Crowd Breaker Assault Rifle unterwegs. Für Fans des Akimbo Styles gibt es auch hier wieder die Möglichkeit mit zwei Waffen gleichzeitig das Feuer zu eröffnen. Das einzige was hier fehlt, sind die weißen Tauben. Danke John Woo. Vom Gefühl her wirken auch die Waffen mit ihrem Handling glaubwürdig. Sämtliche Waffentypen entsprechen weitestgehend ihren realen Vorbildern in Sachen Ballistik und Trefferauswirkung. Schwere Waffen neigen zum Beispiel dazu, den Gegner von den Füßen zu reißen, während eine Pistole zwar Schaden macht, den Gegner aber meistens einfach zusammensacken lässt.
Für einen Third Person Shooter, von denen es ja mittlerweile so viele wie Sand am Meer gibt, wurde der Story auch in Sachen Replay Value einiges an Aufmerksamkeit gewidmet. Für den Puristen gibt es den regulären Storymodus in verschiedenen Schwierigkeitsgraden, während der New York Minute Mode ein Time Attack Modus ist, in dem es für Kills Bonuszeit gibt. Dazu gibt es natürlich noch die Multiplayer Komponente die aber wie es üblich ist, dem Standard entspricht, das heißt „töte deine Mitspieler oder schließe dich in Gruppen zusammen und ärger dich anschliessend darüber, dass du wieder einmal verloren hast“.
Die Solo Mission überzeugt durch Tiefgang, ruhige Phasen und brachiale Shootouts. Genau so, wie ein vernünftiger Third Person Shooter sein sollte. Denn dass man das Rad auch in diesem Genre nicht mehr neu erfinden kann, ist klar. Allerdings entschuldigt es Entwickler nicht, dafür eine gut inszenierte Solo Kampagne zu entwickeln, bei der man auf verschiedenen Ebenen angesprochen wird. Genau das wurde von Rockstar sehr gut umgesetzt und beherzigt. Nicht zuletzt auch durch grafische Spielereien und Referenzen an die Vorgänger. Die Welt in Max Payne wirkt real und organisch, während die Story in kleinen Comic Panels erzählt wird, die aber nicht nur statisch sind sondern jeweils als Panel eine Eigendynamik entwickeln. Auch beim Leveldesign wurde der harsche Bruch mit den Vorgängern etwas abgemildert, da man zwar hauptsächlich unter der gleißenden Sonne nach dem Rechten sieht, aber diverse Abschnitte auch in der Nacht oder zumindest in einem dunklen Ambiente spielen und so an New York erinnern.