Nach einer einjährigen Auszeit rollt die Need for Speed -Serie wieder, um den Geist von den 2003 und 2004 erfolgreichen Underground-Spielen wieder zu beleben. Es sind jedoch deutliche Unterschiede zu den Vorgängern zu erkennen. Der neueste Ableger sieht nicht nur unglaublich gut aus, er klingt auch fantastisch und während die Handhabung immer noch Standard ist, haben die Arcade-Entwickler von Ghost Games eine willkommene Dosis Extra-Tuning hinzugefügt, indem Sie uns die Autos in Sachen Grip oder Drift verbessern lassen. Während der Single-Player-Modus mehr als schnell durchgespielt ist, haben mich der minder interessante Multiplayer-Modus und die Cutscenes oft zusammenzucken lassen.
Auf den ersten Blick sieht alles verdammt gut aus, mit einer kleinen Ausnahme. Es gibt vereinzelt düstere Szenen, die wirken als seien sie mit dem iPhone des US-amerikanischen Regisseurs Michael Mann aufgenommen worden. Die Rennen mit voller Geschwindigkeit durch gefüllte Straßen (vor allem mit einem Auto-Nocken) sind da wirklich etwas anderes: Vom spiegelnden Asphalt reflektiert künstliches Licht, von den Autos glänzen abperlende Regentropfen. Need for Speed klingt auch fast so gut wie es aussieht: Das kehlige Gurgeln von den in der Performance getunten Motoren ist gut umgesetzt und das Knistern der Auspuffe ist ebenso vorbildlich. Doch der flotte Übergang von der Nacht in die Morgendämmerung und umgekehrt ist furchtbar schlecht durchdacht, da sie mehrmals im Laufe eines einzigen Rennens passieren. Die vielfältige Liste von Autos ist nur ein Bruchteil von dem, was in Forza Horizon 2 angeboten wird, aber es für die meisten Geschmäcker etwas vorhanden. Die Garagenplätze sind auf fünf beschränkt, aber der Fokus liegt ohnehin nicht darin Autos zu sammeln, sondern zu perfektionieren. Ich habe bisher die meisten Need for Speed-Spiele in einem einzigen Auto absolviert, was ich ständig mit Upgrades aufgewertet habe, um es von der Konkurrenz abzuheben.
Die Anpassbarkeit der Leistung der Autos ist eines der grundlegendsten Aspekte in diesem Spiel, aber der Fokus wurde nun ein wenig mehr auf die visuelle Anpassung gelegt. Du kannst alles rund um dein Auto personifizieren: Die Seitenspiegel tauschen, Flairs an Kotflügeln anbringen, an der Stoßstange Spoilerecken montieren, Haltung anpassen und vieles mehr. Mit dabei ist ein Folien-Editor womit man ganz simpel einmalige Designs umsetzen sowie Decals und Logos von führenden Marken hinzufügen kann. Flaggen, Zeichen, Buchstaben, Zahlen und Muster anbringen ist hier kein Problem. Trotzdem kann man nicht alles ändern. Nachdem ich mir im Story-Modus einen klassischen Ferrari F40 gegönnt hatte, wurde ich enttäuscht als ich entdecken musste, dass ich kaum etwas tun konnte. Ich konnte nicht einmal die Felgen ändern. Dies steht im Widerspruch zur Philosophie dieses Spiels.
Auf Reddit haben sich deshalb Spieler von Need for Speed zusammengetan und gemeinsam anhand einer Tabelle eine Übersicht erarbeitet, welche zeigt welches Auto welche Möglichkeiten bietet. Diese findet ihr hier.
Es ist immer noch gut, jegliche Art von individueller Gestaltung in Need for Speed wieder zurück zu haben und darüber hinaus einige grundlegende Tuning-Optionen, die du verwenden kannst, um die Fahreigenschaften deines Autos zu verändern. Kritisch sehe ich die Filmsequenzen in Need for Speed, die sich in einer Reihe von kurzen Live-Actionszenen randvoll mit Slangs, die ich nicht verstehe abspielen, samt übermäßigem Konsum von Energy-Drinks, übertriebenem Gebrauch des Wortes „Hashtag“ und eine etwas komische Art des Faustschlags als Begrüßung. Es gibt fünf Hauptcharaktere, die jeweils eines der fünf Need for Speed-Themen-Rennen repräsentieren. Alle diese Themenrennen führen zu einer Begegnung mit einer echten Automobil-Ikone. Eine Idee, die ich wirklich begrüße.
Das beste Themenrennen ist für mich „Outlaw“. Es ist eine Mischung aus allen Renntypen dieses Spiels, die es bisher gab, jedoch mit der Polizei auf den Fersen. Die Polizei-Sequenzen bleiben zwar hinter denen von Hot Pursuit und Need for Speed: Rivals zurück, aber ich weiß es zu schätzen, dass die Polizei viel fairer agiert und viel besser in die In-Game Physik gebunden ist als es in Ubisofts Rennspiel The Crew der Fall war. Man bedenke, dass das Drag Racing, der herausragende Modus in den alten Underground-Spielen, im neuen Need for Speed ersatzlos fehlt, was ich als großes Versäumnis ansehe.
NFS hat keine besonders tiefgründige Story. Es bietet 79 wichtige Events, die ich jedoch in nur zwei Tagen absolviert habe. Es gab nur eine Handvoll Rennen, die ich wiederholen musste. Der bescheidene Umfang wäre kein großes Manko, wäre der Multiplayer-Modus etwas schwieriger, was jedoch nicht der Fall ist.
Wie bei The Crew ist eine permanente Internetverbindung erforderlich, um Need for Speed spielen zu können – auch wenn solo gezockt wird. Im Gegensatz zu The Crew könnt ihr nicht einfach dem Multiplayer-Modus beitreten und euch im Spiel drauf verlassen einen Gegner zugeteilt zu bekommen. Es ist ärgerlich, dass man das Spiel hierbei nicht pausieren kann. Ohne vernünftiges PvP bleibt einem nach dem kurzen Kampagnenmodus nur noch das langweilige Sammeln übrig. Und wofür zum Henker sollten wir Fotografien von schwach beleuchteten Parkplätzen und irgendwelchen unbekannten Lagerhallen sammeln?
Need for Speed sieht nicht nur hervorragend aus, sondern klingt auch gut und knüpft überraschend nah an die Autokultur der realen Welt an. Ich mag den Weg den Ghost hier eingeschlagen hat und ich denke, dass es der richtige ist. Aber nur weil ein Auto ein auffälliges Design hat, heißt es nicht, dass unter der Motorhaube genauso viel los ist.