Platinum Games ist darauf aus, den Titel „Developer of the Year“ einzuheimsen. Bis dato erschienen eine handvoll Titel, die aber allesamt qualitativ hochwertiger Natur waren und durch einen nicht in Worte zu fassenden Charme auffielen. Vanquish ist ebenfalls so ein ganz besonderer Fall. Politische Geplänkel sorgen immer wieder für Top Platzierungen in den Videospielcharts. Vanquish bedient sich ebenfalls dieser Begebenheit und treibt diese mit einer Neuinterpretation des „Kalten Krieges“ auf die Spitze.
So befinden wir uns in einer Nahen Zukunft. Die Ressourcen sind mittlerweile auf einen Minimalvorrat geschrumpft und die Bevölkerung im Kontrast dazu förmlich explodiert. Um dieser problematischen Ressourcenallokation bei zu kommen, haben die USA ein Experiment gewagt und eine gigantische Raumstation in Form eines Ringes (Halo) erschaffen, deren Ziel es ist, die Sonnenenergie als alternativen Kraftstoff zu verwenden. Dies wäre kein Problem, wenn nicht das Feindbild Nummer 1 das Spielfeld betreten würde. Denn russische Nationalisten haben in einem Coup d’Ètat die russische Regierung zur Kapitulation gezwungen. Zeit für die USA ihren besten Mann ins Rennen zu schicken. Sein Name : Sam Gideon.
Vanquish ist kein Spiel für Gelegenheitsspieler, denn direkt zu Beginn wird das weiterer Vorgehen beschrieben „Even if you can read a manual, that doesnt mean you can handle the suit“. So ist abgesehen vom Tutorial alles andere eine High-Velocity Schlacht, nicht mehr und nicht weniger. Hauptprotagonist ist hier allerdings auch nicht Sam Gideon, sondern sein Kampfanzug. Denn dieser ist das bis dato effektivste Utensil, neben der Doom-Kettensäge, welches jemals Einzug in das Shooter-Genre hielt. Statt zu sprinten oder zu fliegen, wird hier nämlich einfach über den Boden geslided mit anschliessendem Slow-Motion Sprung. Sollte sich das Kampfgeschehen nach vorne verlagern und durch einen taktischen Rückzug befindet man sich noch gänzlich am Anfang des Schlachtengetümmels, ist es dank dieser Funktion kein Problem mehr, innerhalb von zwei Sekunden zum restlichen Team aufzuschliessen. Lustigerweise wird man zu Beginn, einfach aus Style-Gründen, diesen Boost öfters benutzen wollen, als das eigentliche Waffenarsenal. Denn dank der perfekten Steuerung ist es mehr als nur ein Spaß, verschiedene Combos oder Manöver auszuprobieren. Der Handlungspielraum erlaubt es nämlich, sämtliche Positionen einzunehmen, die man sich denken kann. Angefangen vom einfachen ausweichen bis zum Rückwärtssalto mit anschliessendem Dauerfeuer, ist alles in möglich, ob liegend oder stehend.
Man hat jederzeit die volle Kontrolle und kann die jeweiligen Situationen besser abschätzen, was einen großen Pluspunkt gerade in der vorherrschenden Hektik ausmacht. Andere Vertreter dieser „Take Aim, Take Cover, Take Over“ Versoftungen haben mitunter diverse spielerische Einschränkungen mit denen sie zu kämpfen haben, seien es schlecht integrierte Deckungsmöglichkeiten oder nicht nachvollziehbare Positionswechsel. Eine weitere Besonderheit des Anzuges ist sein Life-Support oder Tactical-Evasion System. Sollte man in die prekäre Situation gelangen, heftigen Schaden eingesteckt zu haben und somit kurz vor dem Ableben zu stehen, so aktiviert der Suit für eine kurze Zeit den Slow-Motion Modus, der es erlaubt, gegnerischen Projektilen auszuweichen und so in Deckung zu sprinten um sich langsam zu regenerieren. Dies funktioniert selbst in der Praxis tadellos und sieht zudem stylish aus. Die Slow-Mo-Funktion ist ebenfalls auch optional im regulären Spielgeschehen aktivierbar. Dies dient der einfacheren Markierung der hektischen Feinde und der besseren Trefferquote für das Punktekonto. Das zeitliche Intervall, in welchem man dieses Feature benutzen kann ist dabei sehr fair bemessen. So dürften selbst nicht so versierte Spieler kaum Probleme haben, Treffer zu landen.
Aber, bevor jetzt der Eindruck entsteht, man könnte ja permanent über den Boden boosten und vom Slow-Mo-Feature Gebrauch machen, sei gesagt: „Vergesst diesen Gedanken sehr schnell wieder“. Denn jegliche Sonderaktionen gehen zu Lasten des Energie-Moduls. So wird bei ständigem Gebrauch der Spezial-Aktionen eine Cool-Down Zeit benötigt. In dieser Zeit ist man de facto am leichtesten verwundbar, denn nun befindet man sich wieder auf fundamentalem Gameplay-Niveau, das bedeutet, per pedes Deckung suchen und warten bis der Anzug wieder einsatzbereit ist. Ebenfalls auf das Energieverschleiss-Konto gehen die Nahkämpfe, bei denen man mit Brachialgewalt den Gegner heftigen Schaden zufügen kann. Danach sollte man allerdings wie ein kleines Häschen schleunigst das Weite suchen, denn es ist wieder Cool-Down Zeit angesagt. Nahkampf ist daher auch eher uninteressant, gerade bei vielen Feinden auf kleinem Raum.
Man sollte also relativ zügig lernen, wie man den Anzug benutzen muss und wie Situationen zu bewerten sind. Denn Feinde werden schon direkt zu Beginn unerbittlich und vergeben keine Fehler. Zwar kann man in der sicheren Deckung bleiben, aber auf langer Sicht bringt dies keinen Nutzen. Man wird regelrecht festgenagelt, während das eigene Team vorwärts marschiert und die Gegner langsam aber stetig in ihre Masse zunehmen. Vanquish ist High-Speed Action und Camper werden nicht belohnt sondern gehen gnadenlos unter. Die meisten Bildschirmtode wird man demnach auch nicht während schnellen Gefechten erleben, sondern in den Ruhephasen, in denen man sich in Sicherheit wägt. Hier gilt das Motto „Friss oder stirb“.
Für Abwechslung ist ebenfalls gesorgt, denn neben den verschiedenen Arealen, gibt es ebenfalls verschiedenen Missionstypen. So muss man zum Beispiel in einem Abschnitt Suchscheinwerfer per Scharfschützengewehr zerstören und ein anderes Mal einen riesigen Mech bekämpfen. In jedem Abschnitt und egal zu welcher Aktion, der Anzug macht eine sehr gute Figur. Es hat fast den Anschein als sei der Anzug als erstes entstanden und die Geschichte wurde mitsamt der Umgebung an diesen angepasst. Vanquish macht seinem Namen alle Ehre, denn es bezwingt spielerisch die Trägheit, die schon manch einem Shooter das Genick gebrochen hat. Das Gameplay ist makellos und absolut flüssig ohne Ruckler oder sonstigen Mängeln.
Es ist erschreckend zu sehen, dass auf der einen Seite immer mehr Features in Spielen gefordert werden, diese dann aber kläglich scheitern, während man sich bei Vanquish auf zwei Aktionen beschränkt. Den Boost und Slow-Motion. Wer mich kennt, weiß dass ich sehr gerne rummaule, was Nettospielzeit angeht. Vanquish macht hier keine Ausnahme, das gebe ich zu. Das Hauptspiel ist in guten sechs bis sieben Stunden abgeschlossen. Aber aufgrund der dynamischen Spielmechanik und des dauerhaften Andrenalinschubs während des spielens, kann man getrost über dieses Manko hinwegsehen. Denn lieber ein kurzes Spiel was überzeugen kann, als ein Möchtegern-Epos mit sich ständig wiederholenden Missionen.
Eine Frage bleibt allerdings noch zu klären: „Was beschert uns Platinum Games als nächstes“?