Lonely Planet Japan prangt es auf manch einem Reiseführer. Ein wahres Wort, denn in japanischen Großstädten ist man als einzelne Person klein und verwundbar. Während Zebrastreifen in Deutschland eher zum Jaywalking animieren, hat man vor dem bekannten großen Zebrastreifen in Shibuya regelrechten Respekt, besonders wenn man alleine ist.
So fängt Yakuza 4 auch sogleich Takeshi Kitano Sozialdrama like mit einem verworrenen aber zugleich interessanten Introvideo an, welches uns die vier Anti-Helden in einem kurzen Intermezzo vorstellt. Ein Rookie Cop, ein Tagedieb, ein Aussteiger sowie ein Ex Yakuza. Allesamt verbindet nur eines; die Kriminalität. Eines kann man Sega ganz gewiss nicht beim Yakuza Franchise vorwerfen, Leichtsinnigkeit oder Ignoranz. Denn zur großen Freude, ist Yakuza 4 von der Sprachausgabe her komplett im japanischen O-Ton gehalten und Untertitel sind in englischer Sprache vorhanden. So forciert man dann ein kleines bisschen elitäres Spielergebähren, wenn man den Freunden stolz erzählen kann, dass man Yakuza 4 auf japanisch durchgespielt hat.
Gerade bei einem solch japanischen Darstellungsvehikel wäre eine englische Synchronisation sehr zu Lasten der Atmosphäre gegangen, da man den Protagonisten in diesem Falle die Mimik sowie die Handlungen nicht ganz abkaufen würde. Denn in Yakuza 4 wird zwar neben Kämpfen und Fresse polieren, sehr viel Wert auf Charakter Entwicklung sowie sozialer Interaktion gelegt. Das kann von Love Hotels über Hostessen Clubs bis zur Pachinko Halle gehen. Das wahre Leben eines Yakuza, zumindest in romantisierter Form, denn Yakuza 4 oder wie es auf japanisch heisst Ryu ga Gotoku (Wie ein Drache) bedient sich sehr gerne überspitzten Darstellungen von Gangstern und dubiosen Geschäften, wie man es unter anderem von besagtem Takeshi Kitano kennt oder aber von Heroic Bloodshet Filmen der Kategorie A better Tomorrow.
So sind sämtliche Charakter eine als eine Art Persiflage zu sehen, da man direkt erkennen kann, wer ein depressiver Cop ist oder wer ein kleiner Gangster ist, der Touristen beim Hütchenspiel ausnimmt (Stichwort: grelle Klamotten und überdimensionierte Sonnenbrille). Hier zeigt sich auch die Stärke von Yakuza 4, denn mag die Grafik und das Kampfsystem frappierend an Yakuza 3 erinnern und somit nicht wirklich eine nennenswerte Verbesserung darstellen, so zieht einen die Handlung regelrecht in ihren Bann. Selbst Spieler, die nichts mit dieser Art des japanischen Kulturexports anfangen können, werden das interagieren und den schmalen Grad zwischen ernster Dramatik und Yatta! Comedy zu schätzen wissen.
Der Stadtteil, in welchem Yakuza 4 spielt ist in sich geschlossen ein kleiner Mikrokosmos, der sich praktisch selber versorgt und auch wenn wir nichts tun, einfach weiter lebt. Das macht sich bemerkbar, dass bei Regen die Passanten ihre Schirme zücken oder aber einen sicheren Unterschlupf im nächsten Ramen Shop suchen. Während dann nur eine Ecke weiter ein Panty Sniffer von einer Gruppe Schulmädchen in bester Dragonball Manier verdroschen wird. Daher wird man sich sehr häufig dabei erwischen, wie man gedankenverloren durch diesen Tokyoter Bezirk schlendert und sich an den verschiedenen Shops und Menschen erfreut. Man könnte fast meinen, man befinde sich in einem leicht humoristischen Urlaubs Videospiel. Wer nach dem spielen von Yakuza 4 immer noch nicht in Japanlaune ist, dem kann man auch nicht mehr helfen.
Das Leben einer Großsstadt wurde einfach überzeugend eingefangen, da man es hier mit echten normalen Menschen zu tun hat. Denn diese reden miteinander, streiten und entschuldigen sich und springen sogar zur Seite wenn wir als Geldeintreiber oder Cop einem anderen Gangster auf den Fersen sind. Überhaupt hat man hier sehr viel Liebe für Details entwickelt, denn Leuchtreklamen sowie Strassenzüge wirken individuell glaubwürdig und organisch. Eine solch lebendige Stadt hat man daher selten erlebt, zumindest in Spielen.
Allerdings gibt es auch Schattenseiten zu beklagen, wie es sich für dubiose Kriminelle gehört. Denn grafisch gesehen ist Yakuza 4 zwar gut, allerdings mit leichten Kinderkrankheiten wie zu spät aufpoppenden Hintergründen infiziert. Dies passiert nicht häufig, aber wenn man dies wahrnimmt ist es umso ärgerlicher. Ferner kann das Kampfsystem leider auch nicht so wirklich punkten, da es im Vergleich zum Vorgänger keinerlei Verbesserungen erfahren hat, sondern immer noch leicht träge im Spiel umgesetzt wurde. Manche Kämpfe oder Storyfortführungen können auch nur durch Quick Time Events bestritten werden, die etwas altbacken und merkwürdig wirken.
Wobei man aber fairerweise sagen muss, dass Yakuza 4 ein Langzeitprojekt ist. Denn momentan stehe ich bei circa 35 Stunden Spielzeit und bin immer noch gefesselt von der Story und weiss gar nicht, wann hier einmal ein Ende in Sicht ist.
Liebe auf den ersten Blick. Mehr kann ich zu der Yakuza Reihe nicht mehr sagen. Jeder Teil besticht durch einen nicht greifbaren Charme sowie einer fast schon pedantischen Liebe fürs Details, dass man trotz streckenweise leichter Grafikaussetzer vergisst, dass man gerade im Wohnzimmer sitzt und nicht im Nachtleben Japans unterwegs ist. Ganz großes Gangsterkino von Sega.